Viele Menschen haben eine gewisse Skepsis gegenüber Paartherapie. Als Therapeut bin ich damit natürlich häufig konfrontiert. Grundsätzlich, so meine ich, gibt es zwei Pole der Skepsis: Auf der einen Seite stehen jene Leute, die Therapeuten für Scharlatane halten, die sich denken, was soll das bringen, mit jemandem Dritten zu reden, er kann uns ja doch nicht helfen. Auf der anderen Seite jene, die die Macht des Therapeuten überschätzen, was die Angst einschließen kann, durchleuchtet, durchschaut zu werden und sich so die Blöße geben zu müssen.
Ich meine weder das eine noch das Andere ist der Fall. Weder sind wir Therapeuten Scharlatane, die vorgeben etwas nützliches zu tun und in Wahrheit nur ihren KlientInnen das Geld aus der Tasche ziehen wollen, noch sind wir Magier, die kaputte Beziehungen mit dem Zauberstab reparieren können und auch keine Gedankenleser, denen gegenüber die Gefahr besteht, völlig durchschaut und blamiert zu werden.
Ich möchte in diesem Blog versuchen, etwas mehr Licht in die Arbeit des Paartherapeuten zu bringen also ein wenig deutlicher werden zu lassen, was ich als Paartherapeut warum tue. Ich werde mich dabei auf den Aspekt der ‚Einigung‘ in Paaren konzentrieren.
Zunächst: Ganz allgemein denke ich, dass wir Therapeuten einen geschulten Blick auf interpersonelle Dynamiken haben, wir versuchen von außen Muster zu erkennen die für denjenigen, der in eine Beziehung verstrickt ist, oft unsichtbar bleiben. Allein die Perspektive des Dritten ermöglicht es schon, andere Dynamiken zu sehen oder Dynamiken anders zu sehen.
Helm Stierlin zufolge, einem der Pioniere der systemischen Therapie, ist es eines der zentralen Probleme schwieriger menschlicher Beziehungen, ob und wie man sich einigt. Einigt darauf, was überhaupt in der Beziehung vor sich geht, einigt darauf, wer welche Rollen in der Beziehung übernimmt und schließlich ganz konkret, welche Aufgaben und Entscheidungen der jeweilige Partner in der Beziehung übernehmen soll.
Wenn solche Einigung nicht funktioniert, kommt es zu Konflikten.
Der Therapeut hätte nun, so Stierlin, die Aufgabe, bei dieser Einigung behilflich zu sein. Das kann nun wiederum auf 2 Arten geschehen. Einerseits gibt es die Einigung von Außen und die Einigung von Innen.
Bei der ersten Variante, der Einigung von Außen, wird durch eine Autorität entschieden, wie die Einigung auszusehen hat. Das wäre nach meinem Verständnis eher die Aufgabe eines Richters, denn eines Therapeuten.
Der Therapeut hat vielmehr dabei behilflich zu sein, dass Paare ihre Fähigkeit ausbauen, sich selbst zu einigen, also eine Einigung von Innen zu unterstützen.
Wie macht ein Therapeut das nun, bzw. was sind meine Ansätze, bei einer solchen Einigung von Innen hilfreich zu sein?
Helm Stierlin unterscheidet grob 4 Hindernisse, warum eine Einigung scheitern kann, was wiederum Anhaltspunkte für Interventientionen für den Therapeuten liefern kann:
- Als das erste Hindernis versteht Stierlin das Fehlen von wichtigen Einigungswerkzeugen: Solche Werkzeuge sind etwa das Herstellen einer Gesprächsatmosphäre, in der jeder mit seinen Themen durchkommen kann, die Fähigkeit, eigene Wünsche zu artikulieren, die Fähigkeit zuzuhören wenn der/die andere spricht, kurz, unsere sprachlichen Mittel so zu gebrachen, dass der oder die Partnerin versteht was ich meine.
Hier kann der Therapeut auf verschiedene Arten hilfreich sein:
Er kann als Übersetzer dienen: er kann seine Fähigkeit Zuzuhören dazu nutzen, die Sprache des einen Partners so zu übersetzen, dass der andere sie versteht.
Er kann Anstöße geben, dass die beiden sich möglichst klar artikulieren, durch lästiges Nachfragen oder gezieltes Missverstehen (die sachliche, unemotionale Beziehung zum Therapeuten hilft ihm dabei).
Er stellt generell einen Rahmen her, der dazu führt, dass tendenziell eine Atmosphäre herrscht, in der es den meisten KlientInnen leicht fällt sich klar auszudrücken indem er den Fokus mehr auf die Wünsche, denn auf die Anklagen legt.
Er kann auch dabei helfen, die bereits vorhandenen Einigungswerkzeuge aufzusuchen und besser zu nutzen, indem er den Fokus darauf legt, was ja ohnehin gut funktioniert, in welchen Situationen es den Partnern möglich ist, reibungslos miteinander zu kommunizieren. Kurz: der Blick auf die Ressourcen, die jedes Paar hat – denn ansonsten gäbe es sie als Paar nicht. - Ein weiteres großes Hinderniss kann die fehlende Vertrauensbereitschaft sein, also die fehlende Bereitschaft, darauf zu vertrauen, dass auch der Andere an einer positiven Einigung interessiert ist, dass er nicht nur ein egoistisches Monster ist, welches den Anderen bzw. die Andere versucht zu unterwerfen.
Der Paartherapeut hat auch hier wiederum die Möglichkeit zur Fokusverschiebung zur Hand: Wir alle sind egoistische Monster – aber nicht nur. In vielen Paaren sieht es so aus als würde jeder nur seine egoistischen Ziele verfolgen, oder dass einer der egoistische, der/die Andere der altruistische Part ist. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings oft, das hinter scheinbar selbstlosen ein egoistischer, und hinter scheinbar egoistischen ein selbstloser Wunsch steht. Vertrauen zu stärken hieße also: zu sehen dass der/die Andere kein Monster ist, kein Heiliger sonder ganz normaler Mensch, mit eigenen Wünschen, mit Wünschen für die Beziehung, mit Wünschen für den Anderen. Ein erweiterter Blick, ein Blick auf jene Kontexte und Situation, in denen der/die Andere sich selbstlos, einigungsbereit, ehrlich an einem glücklichen Miteinander interessiert zeigt, ist hier hilfreich – sowie es wichtig ist, auch die andere Seite an sich und am andern zu akzeptieren, dass auch die eigenen (vielleicht egoistischen) Wünsche und die des/der Anderen wichtig und berechtigt sind. - Das dritte große Hindernis ist es, dass die jeweiligen Partner selbst nicht genau wissen was sie wollen. Sie sind selbst in sich ambivalent gegenüber ihren eigenen Wünschen – und projizieren vielleicht einen abgelehnten eigenen Wunsch auf den/die AndereN.
Hier ist es als eine Methode der Therapie oft hilfreich ‚Einzeltherapie in Anwesenheit des Anderen‘ zu machen. Der Therapeut widmet sich für einen Teil der Stunde ganz dem einen Partner, versucht mit ihm zu ergründen, was seine eigentlichen Motive sind, welche Wünsche er selbst hat und wo er sich unsicher ist, ambivalent ist oder zu klären, welche Gefühle welche Handlungen auslösen und umgekehrt. Der andere Partner hört einstweilen zu. Hier ist es von Seiten des Therapeuten wichtig, darauf zu achten, dass es um die eigenen Wünsche und Gefühle geht, und nicht um ein Anklagen an den/die AndereN. Danach wechselt die Runde, der andere Partner spricht, der eine hört zu. Diese Methode hat 2 entscheidende Vorteile: erstens wird sich der eine Partner über seine eigenen Ambivalenzen klarer, es wird dadurch leichter, dann auch in der Paarbeziehung klar mit eigener Stimme zu sprechen – dadurch wird der/die Andere entlastet, andererseits hat der/die andere PartnerIn Gelegenheit, dem/der Einen wirklich zuzuhören und nicht gleich was entgegnen zu müssen. - Das vierte und letzte Hindernis von dem ich heute schreiben möchte ist jenes, dass möglicherweise manche Positionen auf derart fixen Grundannahmen beruhen, dass sie absolut unverhandelbar erscheinen. Es entwickelt sich ein starres Entweder-Oder: Es gibt nur diese eine Art wie wir glücklich werden können: Entweder Du unterwirfst Dich dieser unumstößlichen Realität, oder wir werden auf ewig unglücklich sein.
Hier geht es darum, von Seiten des Therapeuten diese Positionen bzw. diese fixen Grundannahmen, auf denen jene Positionen ruhen einmal zum Thema zu machen. Vielleicht ist die Realität in vielen Bereichen nicht ganz so eindeutig, wie es oft scheint, vielleicht sind die Grundannahmen verhandelbar, und wenn diese verhandelbar sind – bleiben die Position dann derartig fix? Vielleicht ist es auch möglich, dass verschiedenen Grundannahmen nebeneinander existieren können, ohne dass es notwendig stets zu Konflikten kommen muss.
Insgesamt also, so lässt sich das geschriebene vielleicht zusammenfassen, macht der Therapeut nicht Nichts, hat aber auch keinen bevorzugten Zugang zur Partnerschaftlichen Realität, er kann aber dabei helfen, den gestörten Kommunikationsfluss der beiden Partner wieder in Schwung zu bringen, sodass die beiden wieder einen Weg miteinander finden können, sich zu einigen.